Gütiger Himmel! Das ist schon über 25 Jahre her. Damals fasste ich mir ein Herz, klemmte ein paar Arbeitsproben unter den Arm und stellte mich bei einem Reisebuchverlag vor. Ich hatte Dusel. Das Verlagshaus suchte just zu diesem Zeitpunkt einen kompetenten Autor für ein Reisebuch über den Südwesten der USA. Die Region war mir damals schon von zahlreichen Reisen fast vertraut wie meine Westentasche. Und Schreiben war schon immer meine Leidenschaft. Nach unzähligen pupertären Anläufen (Kurzgeschichten, Gedichte für meine blonde Nachbarin mit dem wippenden Petticoat ...) holte ich mir während meiner Ausbildung zum Zeitungsredakteur die "höheren Weihen".
Während meines Uni-Studiums verbrachte ich selten einen Tag in den Semesterferien zuhause. Meist tourte ich als Backbacker durch Europa, war auf einer Überlandreise nach Sansibar oder einem Fahrradmarathon von Kalkutta nach Good Old Germany. Dann die erste USA-Reise. Auf dem Flug saß ein Typ neben mir, dessen Onkel in Connecticut eine Autowerkstätte betrieb. Der verkaufte mir für 300 $ ein hellblaues Riesenschiff der Marke Buick 59. Weil das Reifenprofil runter war, lieh er mir eine Zange, um die Nägel aus vier Spike-Reifen zu ziehen. Von der Ostküste kurvte ich quer durch die USA und Kanada und über den damals noch nicht asphaltierten Alaska Highway bis zum Mount McKinley (Denali), dann 6500 km südlich nach Mexiko, um den Vulkan Popocatepetl zu besteigen, und durch Texas (Spritpreis pro Gallone 0,34 Cent, heute ca. das Achtfache) zurück nach New York.
Warum erzähle ich das? Weil ich mir keinen Reisebuchautor ohne einschlägigen Erfahrungsschatz vorstellen kann. Früher war ich felsenfest davon überzeugt, dass einen nur die gnadenlose Härte eines Low Budget-Tripps möglichst weit abseits von jedem Touristenbetrieb mit lohnenden Einsichten ausstattet. Mittlerweile betrachte ich Mitleidlosigkeit mir selbst gegenüber und die geradezu lustvolle Suche nach heiklen Situationen nicht mehr als unverzichtbare Ingredienzien einer spannenden, erhellenden Reise. Man lernt schließlich zu. Ja, ja, und bequemer wird man im Laufe der Jahre auch.
Außer Schreib- und Reiseerfahrung auch in praktischen Dingen braucht ein Reisebuchautor vor allem eines: Stehvermögen. Ein Buch von mehreren hundert Seiten mit sinnvollen Texten und hilfreichen Informationen zu füllen, ist etwas anderes als einen Schulaufsatz zu schreiben. Als ich meinen ersten Reiseführerauftrag vor mir liegen sah, war ich mir nicht zu 100 Prozent sicher, ob ich die "literarische Bergtour" schaffen würde. Meine zweimalige Kilimanjaro-Besteigung erschien mir dagegen wie ein Klacks. Heute, nach ca. 80 Büchern weiß ich: Ohne ungebremsten Arbeitseifer, Entschlossenheit und Hartnäckigkeit bis hin zur Sturheit geht es nicht.